Recherche, Recherche …

Mit meinem Romanprojekt befinde ich mich gerade in einer Phase, der ich lange keine Beachtung schenkte und von der ich jetzt erst merke, wie wichtig und vor allem welche Bereicherung sie für mein Schreiben ist. Ich rede von der Recherche. Ich hatte das früher immer den Historikern zugestanden und dachte nicht, dass es für mich mal relevant sein würde. Wenn ich von anderen Autoren las, wie sehr sie sich in Recherchetätigkeiten reinhängten, bildeten sich vor meinem inneren Auge nur Fragezeichen. Reicht es denn nicht, seine Geschichte und Figuren gut genug zu kennen, um etwas schreiben zu können? Vielleicht. Aber wie viel Tiefe eine Story gewinnen kann, wenn sie zudem fundiert recherchiert ist, erfahre ich gerade jetzt erst…

Wozu Recherche?

Wenn ich etwas schreibe, dann entspringt das doch meiner Fantasie. Es ist nicht real und somit ist alles möglich, oder? Wozu sollte ich dann recherchieren, wenn ich nicht unbedingt an Logik gebunden bin? Das stimmt an sich schon. Und doch auch wieder nicht. Als Autoren bilden wir im weitesten Sinne unsere Rezeption der Welt in Textform ab. Selbst Fantasy-Geschichten oder Science-Fiction einer entfernt gelegenen Zukunftswelt ist doch nur geprägt von der subjektiven Wahrnehmung des Autors. Somit sind wir zum einen schon an die reale Welt gebunden oder zumindest von ihr beeinflusst. Dabei kann die Recherche durchaus behilflich sein, diese Abbildung so realistisch wie möglich zu halten. Nicht alles Wissen entspringt aus der eigenen Vorstellungskraft. Somit kann ich durch meine Recherche nicht nur ein reichhaltigeres Bild entwerfen, der Leser wird es mir zudem auch danken. Haben wir nicht alle schon einmal ein Buch weggelegt, weil die Geschehnisse, obwohl alle fiktiv, vollkommen an den Haaren herbeigezogen waren? Dachten wir uns nicht alle schon einmal, dass dieser oder jener Roman von einer Recherche profitiert hätte? Erwischen wir uns nicht manchmal dabei, dem Autor kein einziges Wort mehr abzukaufen, weil wir merken, dass er keine Ahnung hat, wovon er schreibt? Wir adaptieren Dinge aus unserer Welt für die Fiktion. Dabei sollten diese Dinge auch richtig adaptiert werden und nicht nur leere Hülle sein.

Für den Autor ist die Recherche zudem ein großer Gewinn für den Schreibprozess. Gerade zu Anfang, wenn nur die grobe Idee im Kopf schwebt und ich noch nicht genau weiß, in welche Richtung es geht. Wenn es Figuren gibt, die extrem unzugänglich sind und ich ihnen einfach mehr Tiefe geben will. Dann hilft es meistens weiter, zu recherchieren. Wie war die Gesellschaft und Kultur einer bestimmten Zeit? Wie fühlt es sich an, eine bestimmte Sache immer wieder zu tun? Wenn ich weiß, wovon ich schreiben will und auch eine Ahnung davon habe, fällt es mir tausendmal leichter, mich an den Schreibtisch zu setzen und die Geschichte zu erzählen. Eine Recherche hilft ungemein, eine klare Linie zu bekommen. Mit meinem aktuellen Projekt ging es mir damit so. Zu Beginn stand die Idee, die sich immer wieder änderte und umformte. Gerade weil ich kaum Ahnung von meinem gewählten Thema hatte. Jetzt nach der Recherche bin ich um eine Handlungsstruktur in meinem Kopf reicher, mir fällt es leichter, mehr als mein Tagesziel an Worten zu schreiben. Einfach, weil ich weiß, wovon ich schreibe.

Gut, in Ordnung. Aber wie fange ich damit an?

Zunächst ist es hilfreich, sich ganz oberflächlich zu dem Thema zu informieren. Nützlich ist es, eine Mindmap mit Oberbegriffen zu erstellen, die wichtig sein könnten. Bei meiner aktuellen Recherche habe ich mich mit dem Umgang mit Homosexualität in den 20er und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts beschäftigt. Das war mein Oberbegriff, mit dem ich mich erst einmal ganz allgemein schlaugemacht habe. Meistens stolpert man dabei schon über gewisse Themen, die man in seinem Roman behandeln oder die man gern vertiefen möchte und kann dann gezielter danach suchen.

Effektiv ist auch eine Strukturierung in Themenfelder. Ich habe angefangen, verschiedene Oberbegriffe zu sammeln, wozu ich alles recherchieren sollte, um in meinem Manuskript eine realistische Darstellung zu erhalten. So war mir auch klar, wie umfangreich meine Recherche sein würde und konnte mir selbst einen Zeitrahmen setzen, in dem ich die Recherche beenden wollte.

Du solltest dir nach der oberflächlichen Auskunft auf jeden Fall Gedanken machen: Wie kannst du dein Thema eingrenzen, um nicht von der Flut an Informationen erschlagen zu werden, sodass du nicht mehr weißt, wo vorn und hinten ist? So sind beispielsweise gerade zeitliche oder örtliche Begrenzungen hilfreich.

Bei meinen Recherchen war mir ja schon klar, dass ich mich auf die 20er und 30er-Jahre begrenze. Also habe ich alles, was zeitlich nicht in diesen zwei Jahrzehnten lag, nicht mehr beachtet. Ich wusste, dass ich mich speziell auf weibliche Homosexualität begrenzen möchte. Also fiel alles, was primär männliche Homosexualität betraf, schon mal raus usw. So werden aus 100 Quellen ganz schnell nur noch 50 oder 25!

Tipp 1:  Verliere bei allem den Fokus nicht. Man braucht nicht 10 Quellen zur gleichen Information. Drei vertrauensvolle Quellen reichen vollkommen aus.

Tipp 2: Übe unbedingt Quellenkritik! Glaube nicht sofort alles, was du herausfindest und schließe dein kritisches Auge nicht.

Wo soll ich recherchieren?

In unserem digitalen Zeitalter ist es nicht mehr schwer, an Auskunft zu kommen. Ein kurzer Klick ins Internet reicht aus, um eine ellenlange Liste an Informationen zu erhalten. Trotzdem lohnt es sich auch, rauszugehen. Gerade auch in Bibliotheken findest du Bücher, die so über das Internet nicht zugänglich sind. Wenn sich die Handlung des Romans um einen bestimmten Ort dreht, ist es auch nicht schlecht, sich selbst ein Bild davon zu machen. Es ist immer etwas anderes, wenn man weiß, wie es sich anfühlt, an einem bestimmten Ort zu sein, wie die Atmosphäre dort ist, das Wetter, etc. Für historische Recherchen ist der Gang ins Stadtarchiv ebenfalls empfehlenswert.

Welche Tools sollte ich benutzen?

Wikipedia ist meist die erste Wahl. Die Internet-Enzyklopädie ziehe ich gern selbst immer wieder zurate, weil sie einem einen schnellen Überblick über verschiedenste Themen bietet. Gerade wenn du am Beginn der Recherche stehst, ist es eine gute Idee, in die Quellenliste des Wikipedia-Artikels zu schauen, wo du viele fundierte Quellen für die detaillierte Recherche finden kannst. Ein Vorteil davon ist, dass viele dieser Quellen auch im Internet abrufbar sind.

Dennoch ist es sehr empfehlenswert, Fachliteratur durchzuarbeiten. Vor allem Forschungsarbeiten und Dissertationen, aber auch Sachbücher bieten sich hier an. Klar, du musst dich durch Fachjargon und sperrigen wissenschaftlichen Schreibstil quälen. Allerdings sind die präsentierten Fakten aus fundierten Quellen zusammengetragen, d. h. du kannst dir einigermaßen sicher sein, dass das, was geschrieben steht, auch stimmt. Zudem behandelt gerade Forschungsliteratur meistens spezialisierte und sehr eingegrenzte Themen. Das heißt, schon allein beim Titel oder spätestens im Inhaltsverzeichnis weißt du, welche Informationen du darin findest. Das heißt gleichzeitig, dass du deine Recherche extrem eingrenzen kannst.

Ähnlich wie Fachliteratur sind auch Dokumentationen zu werten. Auch sie präsentieren Fakten spezialisiert und sachlich zu einem Thema. Meistens kommen auch Experten zu Wort, was zusätzlich für die Authentizität spricht. Gleichzeitig ist es auch angenehm, zwischen Text und Video zu wechseln. Damit bleibt deine Aufmerksamkeit erhalten, denn gerade Bilder lassen die Vorstellungskraft zu Themen wachsen.

Du kannst auch Experten direkt fragen. Die meisten sind froh, über ihr Fachgebiet reden zu können. Schreib einfach eine nette E-Mail oder rufe dort an, wenn du gerne Informationen aus erster Hand hast.

Falls dir kein Experte zur Verfügung steht, kannst du auch online dein soziales Netzwerk befragen. Auf den verschiedenen Plattformen tummeln sich hunderte und tausende Gruppen, in denen Schreibende oder Interessierte zu einem Thema sich austauschen. Teilweise gibt es explizite Recherchegruppen. Aber auch so lohnt es sich, Gruppen zu einem bestimmten Thema durchzusuchen. Vielleicht findest du in einem Beitrag deine gesuchte Information oder auf diesem Weg sogar einen Experten, der dir weiterhelfen kann.

Zu guter Letzt, wie schon zuvor erwähnt, kannst du auch vor Ort eine Eigenrecherche starten. Besuche für deinen Roman relevante Orte, melde dich in einem Schwertkampfkurs an oder versuche dich beim Tauchen. Eigene Erfahrungen sind immer noch eine große Stütze. Denn du erhältst nicht nur alle relevanten Informationen, sondern kannst dich beim Schreiben natürlich noch besser in deine Figur hineinversetzen. Allerdings muss nicht jede Handlung selbst erlebt sein. Vor allem nicht und unter gar keinen Umständen, wenn du anderen oder dir selbst schadest!

Und wann geht es wieder ran an den Speck?

Natürlich ist jede Recherche auch mal vorbei und du solltest es nicht damit übertreiben. Ob dein Roman noch davon profitiert, wenn du Jahre zu jedem Minithema recherchierst, ist fraglich. Es gilt immer abzuwägen, ob der nächste Artikel, die nächste Doku noch nötig ist oder nicht. Es bringt nichts, sich durch einen Text zu quälen, der außer einem Satz keine relevante Info für dich bereithält. Behalte das immer im Hinterkopf.

Manche beschränken ihre Recherche sogar. Sie setzen sich einen festen Zeitrahmen und machen danach aber auch an ihrem Projekt weiter. Das ist sicherlich ein guter Tipp.

Bei mir ist es wie so vieles Intuition. Auch ich habe mir einen Zeitrahmen gesetzt, dann aber gemerkt, dass ich noch etwas brauche. Bei manchen Themen habe ich die Recherche ab einem gewissen Punkt so belassen, weil ich merkte, dass es genug ist. Ich denke, es ist immer auch eine Sache, wie es sich gerade anfühlt. Ob es einem noch wichtig erscheint, weiter zu recherchieren oder wie sicher man sich in dem Thema schon fühlt.

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